30.10.25 - Mein Weihnachtsprojekt

Immer wieder denke ich darüber nach, was für ein Glück es für mich war, dass das Projekt "Vom Himmel hoch ..." in mein Leben getreten ist. War ja purer Zufall und ein Quentchen Mut und Glück. 

Los ging das Ganze völlig unspektakulär mit einem Kuvert im Briefkasten. Ein Komponist, den ich über den Tonkünstlerverband kannte, schickte einen Stapel handgeschriebener Blätter und fragte nach, ob ich das neue Stück gern uraufführen würde. Es handelte sich um Variationen für Flöte solo über das alte Weihnachtslied "Vom Himmel hoch da komm ich her" - ziemlich lang, recht schwer zu spielen und wegen der Handschrift auch schwer zu lesen. Im ersten Augenblick wusste ich nicht so recht, was ich davon halten sollte. Denn klar war: es muss ein vorweihnachtliches Konzert sein - und ob das Publikum gut 10 Minuten Flöte allein hören mag - naja. 

Langer Rede kurzer Sinn - es dauerte zwei Jahre, bis sich eine Gelegenheit bot. Die hat mir aber gezeigt, dass die Kombination "Weihnachten" und "Flöte allein" durchaus Potential hat. Das Publikum war begeistert, mir hat es viel Spaß gemacht und ein Zuhörer fragte, ob es davon mehr gäbe. Das musste ich natürlich mit nein beantworten, jedoch ging mir die Frage nicht mehr aus dem Kopf. 

Schließlich traute ich mich und fragte zwei befreundete Komponisten, ob sie Lust hätten, etwas ähnliches zu komponieren - also ein Stück für Flöte allein, das sich an einem bekannten Weihnachtslied orientiert und dieses variiert, umspiellt oder weiterführt. Gerechnet hatte ich mit einem ebenso klaren nein, wie ich es oben geben musste, und war dementsprechend überrascht von zwei sofortigen Zusagen. 

Kurze Zeit später lagen die neuen Stücke schon im Briefkasten, diesmal ordentlich ausgedruckt und leicht zu lesen. Ein eigenartiges Gefühl, ich hatte zuvor noch nie einen Auftrag erteilt. Nun lagen die Stücke also vor mir, noch ganz jungfräulich, keiner hatte sie bis jetzt gespielt, ja nicht mal gesehen. Es lag also nur an mir, was daraus gemacht werden wird, denn ich konnte keine Referenzaufnahmen anhören, keine Kollegen fragen ...

Über die unterschiedlichsten Kanäle hat sich in den Folgejahren herumgesprochen, dass es da diese Flötistin gibt, die auf der Suche nach neuer Weihnachtsmusik ist. Auf diesem Weg habe ich so viele Komponistinnen und Komponisten kennengelernt, die seit 2013 für mich schreiben. Und mit einigen von ihnen haben sich wirklich wunderbare Freundschaften entwickelt. 

Das Projekt hatte seinen Namen schnell gefunden, denn schließlich war "Vom Himmel hoch ..." die Initialzündung gewesen. Zwei meiner Lieblingskomponisten - Helmut Bieler und Gisbert Näther - sind unteredessen verstorben und ich denke jedes Mal voller Dankbarkeit an sie, wenn ich die mir gewidmeten Stücke spiele. 

In den vergangenen Jahren sind auf diesem Weg über 40 neue Kompostionen entstanden, von denen einige auf einer cd zu hören und ein Großteil in 3 Bänden bei Canticus in Hamburg erschienen sind.

Manche Stücke - z. B. von Barbara Heller bei SCHOTT - sind in Einzelausgaben herausgekommen, ein Stück von Daniel Dorff bei Theodore Presser in den USA. 

Die Vom-Himmel-hoch-Geschichte ist übrigens noch nicht vorbei. Sollten sich genug Stücke für einen vierten Band versammeln, so wird auch dieser in ein oder zwei Jahren erscheinen. Mal sehen. 

Während der Covid-Pandemie hat sich die Besetzung Flöte solo übrigens sehr bewährt. In der Vorweihnachtszeit dieser Jahre sind Stücke aus dem Projekt "Vom Himmel hoch ..." in vielen leeren Kirchen von Erlangen über Hamburg, Kopenhagen und London bis nach Pennsylvania erklungen. Was für ein Geschenk!