27.9.25 - Ein Wiesenblumensträußchen

27.September 2025

Oftmals frage ich mich, ob sich überhaupt Leute für das Alltagsleben von uns Musikern interessieren. Denn meist habe ich das Gefühl, dass wir eher belächelt werden als die, die Sachen machen, mit denen sich der Rest der Welt nur nebenbei beschäftigt. 

Aber dann darf ich mal wieder so eine zauberhafte Begegnung erleben, wie erst letzthin nach einem Konzert.

In der kleinen Dorfkirche, in der ich eben noch mit meinem Quartett musiziert habe, kommt eine Dame zögerlich zu mir nach vorne, als wir schon damit beschäftigt waren, unsere Instrumente einzupacken. Links balanciert sie ein kleines Päckchen, mit der anderen Hand streckt sie mir einen sorgfältig und wunderschön gebundenen Wiesenblumenstrauß entgegen. Sie lächelte und wartete, bis ich die Hände frei habe. Als ich das hübsche Sträußchen entgegennahm und die besonders gelungene Komposition lobte, sagte sie folgende Worte: 

"Ihre schönen Konzerte sind für mich der Höhepunkt der Woche. Ich freue mich schon lange Zeit zuvor darauf und bin immer ein bisschen traurig, dass sie so schnell vorbei sind. Deshalb habe ich Ihnen ein kleines Fläschchen lilafarbener Tinte mitgebracht. Vielleicht haben Sie ab und zu Lust, etwas aus ihrem Leben aufzuschreiben. Leute wie ich würden es begeistert lesen und könnten so länger in Kontakt bleiben und sich schon auf das nächste Konzert freuen."

Ich war zunächst verblüfft, dann aber neugierig und fragte nach, was sie interessieren würde. 

Es stellte sich heraus, dass sie aus Ostpreußen kommt, in der frühen Kindheit und Jugend viel musiziert hatte und später als Bibliothekarin arbeitete. Musik, Kunst und Literatur sind immer ihre Steckenpferde gewesen. Nun ist sie schon 20 Jahre in Rente, der Ehemann starb früh und die Kinder, die sich sehr um sie kümmern, haben ganz andere Interessen. Meine Bücher hat sie alle gelesen und auch mehrmals verschenkt. Sie würde sich etwas wünschen, das die Lücken bis zum nächsten Buch oder nächsten Konzert schließt. Die lila Tinte soll ein Symbol sein, denn selbstverständlich kann sie mit einem Computer umgehen und erwartet nicht, dass ich tatsächlich die Feder bemühe.

Meine Verblüffung wich einer sofortigen Sympathie und so schreibe ich also heute den ersten Text für diesen neuen Blog hier auf meiner Seite im Netz.

Luise heißt meine neue Freundin. Das finde ich besonders nett, denn das ist auch mein zweiter Name. Ihren Nachnamen musste sie mir aufschreiben - viele Konsonanten. Luise war beinahe 50 Jahre mit ihrem polnischen Ehemann verheiratet, dessen Nachname übersetzt "der Glückliche" bedeutet. Er hat jedem erzähl, ob der es hören wollte, oder nicht, dass sein Nachname mit dem Beginn seiner Ehe endlich Wirklichkeit wurde. Luise und ich nennen uns beim Vornamen, sind aber beim "Sie" geblieben. Das gefällt mir sehr. 

Auf meine Frage, wass sie denn interessieren würde, hatte sie eine lange Liste an Antworten. Wie kommen unsere immer so besonderen Programme zustande? Wer entscheidet, wann was gespielt wird? Wie finden wir diese großen Mengen an neuer Literatur? Wie kommt man auf die Idee, einen Text mit Musik zu unterlegen? Warum spielen wir in diesen kleinen Kirchen, irgendwo im Nirgendwo? Wie schaffen wir es, auch junge Leute zu begeistern? Wieviel Zeit braucht man, um all das zu üben? 

So viel also für heute. Ich habe viel Nachzudenken. Habt eine schöne Zeit!